Entkernung Hofseite

Entkernung Hofseite

Lesedauer 3 MinutenLetztes Update: 27.12.2020

Bei strahlendem Sonnenschein gings es dann los. Es war mitterweile Ende März 2008. Gefache für Gefache wurde entfernt und die Fachwerkkonstruktion und dessen Zustand kam immer mehr zu Tage. 1991 wurden die alten Gefachfüllungen aus Lehm entfernt und mit Porotonsteinen wieder zugemauert. Es musste schnell gehen, also verwendete man den üblichen Zementmörtel. Ein Bauschuttcontainer war zwischenzeitlich bestellt worden. Es sollte aber nicht der letzte bleiben.

Und wieder entdeckten wir während der Abbrucharbeiten ein Novum. Ein Gefach war nicht wie oben beschrieben ausgemauert worden. Stattdessen nahm man ein Platte Styrodur, schnitt sie passgenau in das Gefach und verklemmte sie im Selbigen. Gewebe drüber und verputzt. Fertig.

Im Inneren wurde ein Dämmputz verwendet, der seine Wirkung durch Abermillionen kleine Styroporkügelchen verrichten sollte. Auf das innenliegende Fachwerk wurde Streckmetall aufgenagelt, worauf dann der Putz gespritzt wurde. Es war beinahe unmöglich, hier größere Stücke mit dem Abbruchhammer herauszubrechen, da die Konsistenz durch das Stryropor einfach zu weich war. Wir malten uns schon die übelsten Szenarien aus, in denen wir für jedes handgroß herausgebrochene Stück Putz eine Stunde Arbeit haben würden. Na dann, viel Spaß. Wir zäumten dann das Pferd von hinten auf und begannen zunächst damit, wie oben beschrieben, die Gefacheausmauerung von der Außenseite beginnend zu entfernen. Diese löste sich wunderbar vom Streckmetall und dem Putz, so dass von außen betrachtet nur noch eine Putzwand den Blick zum Inneren verhinderte. Nachdem die Ausmauerung entfernt war, rammten wir einen ca. 1 m langen Eichenbalken von außen in alter Germanenmanier gegen den Innenputz. Die ganze Innenkonstruktion begann mit jedem Stoß instabiler zu werden, bis dann ganze Platten in den Innenraum fielen. Bin ich schon drin, oder was? Wie der gute alte Boris fragten wir uns das auch :-D.

Als der Bauschuttcontainer dann abgeholt wurde und wir die Rechnung bekamen, war uns etwas komisch zumute. Durch das Styropor im Putz war der Inhalt des Containers kein Bauschutt mehr, sondern Baumüll, um nicht zu sagen Sondermüll. Da wird gleich mal ein erkleckliches Sümmchen fällig. Auch hier zeigt sich wieder ein unschlagbarer Vorteil von althergebrachten Werkstoffen wir Holz, Lehm und Kalk etc.. Diese sind auch nach dreihundert Jahren kein Sondermüll, sondern können fachgerecht dem Recycling zugeführt oder direkt wieder verwendet werden. Neben den günstigen Materialeigenschaften ein weiterer großer Pluspunkt.

Wenn ich die Bilder heute, im Januar 2009, sehe, wird mir ein bisschen übel, da wir hinsichtlich der Bauabsicherung ziemlich schlampig und leichtsinnig gearbeitet haben. Ganze Gefache wurden rausgehauen, zwei bis drei mehr oder weniger tragende, extrem mitgenommene Ständer entfernt, ohne auch nur einen Spriesen zur Abstützung der Decken- und Dachlast unterzustellen. Gefährlich, ist aber nochmal gut gegangen. Ein paar Tage, nachdem die unten aufgeführten Bilder fotografiert wurden, haben wir das schleunigst nachgeholt.

Als das Fachwerk zur Hofseite hin völlig “nackt” vor uns stand, mussten wir leider den enorm schlechten Zustand des Fachwerks erkennen. Fast alle Riegel, also die waagrechten Verbindungshölzer zwischen den Ständern, waren halbrund (waldkantig, was an sich kein Mangel darstellt, jedoch können die Lehmsteine nicht ohne zusätzliche Maßnahmen ins Gefache gesetzt werden) und darüberhinaus extrem würfelbrüchig. Das Holz war definitv nicht mehr zu gebrauchen. Das war es mit Sicherheit auch 1991 bei der letzten Renovierung schon nicht mehr, man hat es aber geflissentlich “übersehen”. Nicht mehr die Fachwerkholzkonstruktion nahm hier die Last auf, sondern die Ausmauerung. Normalerweise ist es im Fachwerkbau umgekehrt. Die Gefachfüllung hat hier eine allenfalls aussteifende Wirkung auf die Gesamtkonstruktion. Der Eckständer zur Straße hin war nur noch ca. 4-5 Zentimeter dick und auf die Hälfte seiner ursprünglichen Stärke “geschrumpft” . Der Rest war von innen nach außen komplett weggefault. Na dann, Prost. Wir brauchten dringend altes Eichenholz, um das Fachwerk fachgerecht wieder in Stand zu setzen. Aber woher nehmen? Umgehend begannen wir uns nach Abbruchholz umzuhören. Die Zeit drängte.

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