Vom Feuerbock (März 09)

Vom Feuerbock (März 09)

Lesedauer 4 MinutenLetztes Update: 23.12.2020

Nun war es endlich soweit. Die Holzarbeiten am Giebel konnten nach endlos erscheinenden Wintermonaten mit eisigen Temperaturen beginnen. Die in diesem Bericht beschriebenen Arbeiten erstreckten sich über einen Zeitraum von 2 Wochen, jeweils an den Wochenden. Am ersten Freitag, mittlerweile Ende März 2009, suchten wir erst einmal die Hölzer aus unserem Eichenholzarsenal zur Erstellung des neuen Fachwerks aus. Es stand genau fest, welche Hölzer belassen und welche herausgenommen werden mussten. Um die rustikale Symmetrie des restlichen Hauses fortzuführen, benötigten wir neben den Ständern und Riegeln auch zwei gebogene Streben. Auch diese waren glücklicherweise recht schnell gefunden.

Die Schwelle war leider nicht mehr komplett zu retten. Ein großer Teil war durch den ganzen Querschnitt hindurch vermulmt und musste somit partiell ausgetauscht werden. Zu diesem Zweck bedienten wir uns eines massigen Deckenbalkens, aus dem wir die neue Schwelle grob herausschnitten. Da die alte Schwelle an der Vorderseite profiliert ist und in die neue selbes Profil eingearbeitet werden soll, musste etwas mehr Material stehen bleiben. Schnell war die alte Schwelle draussen und die neue drin. Nun wäre es schön gewesen, eine traditionelle Holzverbindung herzustellen, die auch die im Giebelbereich statisch wirkenden Kräfte aufnehmen kann (immerhin wirkt hier die Last eines ganzen Daches). Dies wäre aber so enorm zeitaufwendig und im Bestand nur schwerlich zu erarbeiten gewesen, dass wir uns nach Abwägung aller Vor- und Nachteile dazu entschlossen, die moderne Technik mit 8mm Stahlblechen und Schlüsselschrauben im nicht sichtbaren Innenbereich zur Holzverbindung (Anlängen der Schwelle) zu nutzen.

Wo es möglich war, wurden traditionelle Holzverbindung mit Schlitz und Zapfen verwendet. Im Bestand aber beinahe unmöglich, alles zu verzapfen. Also musste auch hier, die eine oder andere Schraube verwendet werden.

Gegen Abend waren alle Hölzer angefertigt und eingebaut. Der Feierabend war nahe. Unter dem Brüstungriegel wollten wir, wie unter allen Fenstern im Fachwerkhaus, ein Zierelement einbauen. Ursprünglich war die V-Form, im fränkischen Fachwerk häufig benutzt, vorgesehen (die hatten wir ja auch in den anderen Gefachen unter den Fenstern verwendet). Diese stellte sich aber aufgrund des zu kleinen Gefaches als zu massig heraus. Zwei Leute standen unten auf der Straße und einer hielt Hölzer in verschiedenen Varianten ans Gefache, um deren Wirkung zu testen. Eine gebogen Strebe sollte es sein. Aber mir gefiel das einfach nicht gut. Es war ok, aber so richtig zufrieden waren wir nicht. Sogar interessierte Passanten wurden in die Entscheidungsfindung mit einbezogen. Drei Leute, vier Meinungen :-). Die Strebe wurde mit einer Schraubzwinge befestigt. Jetzt standen alle unten. Ist doch gut, oder? Hin und her. Mir wollte es nicht gefallen, weil sich die Symmetrie im Nichts auflöste. Ein gerader Stiel als weitere Alternative gähnte uns von oben an. Auch diese Möglichkeit war gescheitert.

Dann erwähnte Frank so nebenbei, dass man auch einen Kaisersitz zimmern könnte. Ich wusste sofort, was er meinte, da dies in der Südpfalz eine häufig anzutreffende Zierform des Fachwerks darstellt. Ich war begeistert. Der Berufsethos von Frank und mein Ehrgeiz waren entfesselt. Sch..ss auf den Feierabend. Auf Pappe wurde eine originalgetreue Schablone dieses Kaisersitzes (eigentlich Feuerbock) aufgerissen. Vielleicht wirkte dieser im gesamten Erscheinungsbild doch zu verspielt, da unser Haus ja eigentlich ein armes Bauernhaus war und solchen Schmuck in der Regel nicht aufwies.

Dennoch waren unterhalb des alten Brüstungsriegels (den ich anfangs entfernt hatte) und in der alten vermulmten Schwelle jeweils zwei Zapfenlöcher zu erkennen. Also musste irgendwann einmal ein solches Zierelement vorhanden gewesen sein. Allerdings wurde dies in grauer Vorzeit schon entfernt, da es selbst auf alten Fotos nicht mehr zu sehen ist. Das Gefach war schon vor 40-50 Jahren einfach zugemauert worden.

Der Feuerbock war nun auf der Pappe aufgezeichnet, wurde ausgeschnitten und in das Gefach gestellt. Schnell begaben wir uns noch zweifelnd nach unten auf die Straße, um die Wirkung zu sehen. Es klickte sofort bei mir. Das musste es sein und nichts anderes. Alle anderen sahen es genau so.

Ein Holz mit den erforderlichen Maßen war schnell gefunden. Die Schablonen wurden auf das Holz übertragen und soweit es ging zurechtgesägt. Mittlerweile war es 17 Uhr. Eine Bandsäge musste her, um die Rundungen ausschneiden zu können. Wer hat eine solche? Und ist der Besitzer samstags um diese Zeit noch zu erreichen? Frank besitzt zwar selbst eine Bandsäge, deren Motor sei aber gerade defekt. Dennoch gab es einen Schreiner in Insheim, den Frank gut kannte. Ehe man sich versah, lagen die Hölzer im Kofferraum und er war unterwegs zum Schreiner mit der Bandsäge. Und tatsächlich kam er nicht gleich wieder zurück. Er schien ihn angetroffen zu haben.

In der Zwischenzeit zog ich mit einem weissen Edding-Stift die Inschrift des Hauses nach, um sie fotografieren und im Originalmaßstab abpausen zu können. Hintergrund ist der, dass die Giebelbalken von der schwarzen Farbe befreit werden müssen. Teilweise ist die Inschrift schon jetzt sehr schwer zu entziffern und an manchen Stellen kaum noch zu sehen. Nach der Reinigung könnte Sie vielleicht komplett verschwunden sein. Der Verlust wäre sehr schade. Nach der Reinigung wird die Schrift dann wieder originalgetreu nachgestochen.

Zurück zum Feuerbock. Eine halbe Stunde und zwei zerstörte Bandsägenblätter später, stand Zimmerer Seussler mit den fertigen Hölzern wieder auf dem Hof. Nun wurden noch die Blattungen erstellt. Der Feuerbock war fertig und konnte seiner Bestimmung übergeben werden. Das Ergebnis zu bestaunen war phantastisch. Unglaublich, was Frank in der kurzen Zeit mal eben gezimmert hatte.

Und ich habe wieder mal gelernt, auf sein innerstes Gefühl zu hören. Immer wird der Blick verzückt auf diesem Element des Hauses ruhen.

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